Mietendeckel für unsanierte Bauten | Die Presse

© Richard Tanzer

Arch. DI Bernhard Sommer, Präsident der zt: Länderkammer W/N/B, und Arch. DI Daniel Fügenschuh, Präsident der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen, regen im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Presse“ eine Neugestaltung des Richtwertsystems für Mieten an. „Die Presse“ hat dazu den folgenden Artikel verfasst:

Mietendeckel für unsanierte Bauten?

Richtwertmieten. Ob ein Gebäude unter die Richtwerte fällt oder nicht, sollte künftig vom thermisch-energetischen Zustand abhängen, schlägt die Ziviltechniker-Kammer vor.

Wien. Wenn das Schlagwort Mietpreisbremse fällt, ist damit meist eine Begrenzung der Richtwert-Anhebungen gemeint. Eine ganz andere Idee bringt nun die Berufsvertretung der Ziviltechniker ins Spiel: Es sei an der Zeit, das Richtwertsystem – das ja per se eine Preisbremse darstellt – so umzugestalten, dass seine Anwendbarkeit nicht mehr vom Alter des Gebäudes abhängt. Sondern von seinem thermisch-energetischen und architektonischen Zustand.

Der Richtwert gilt derzeit für Neuvermietungen von Altbauwohnungen. Das torpediere Österreichs Klimaziele, beklagen Repräsentanten der Berufsgruppe gegenüber der „Presse“: Weil damit ganz generell die Mieten für Altbauten gedeckelt werden, entstehe ein Anreiz, solche Gebäude abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen, die nicht dem Richtwertsystem unterliegen und daher lukrativer sind. „Investoren sehen derzeit keine Veranlassung, ein Gebäude, das vor 1945 erbaut wurde, zu sanieren, wenn sie später keine entsprechenden Mieten dafür verlangen können“, sagt Daniel Fügenschuh, Architekt und Präsident der Bundeskammer.

Die Ziviltechniker plädieren dafür, das zu ändern – und würden andererseits Neubauten, die nicht spätestens 20 Jahre nach ihrer Errichtung thermisch-energetisch und architektonisch saniert wurden, gern dem Richtwertgesetz unterstellen. Denn laut einer Studie der Universität für angewandte Kunst hätten selbst Gebäude, die erst vor 20 Jahren errichtet wurden, einen doppelt so hohen Energiebedarf wie Altbauten nach einer größeren, den aktuellen Vorgaben entsprechenden Renovierung. Es brauche also einen Anreiz, auch Gebäude zu sanieren, die nicht als Altbau gelten – während Eigentümern von Altbauten der Anreiz genommen werden solle, auf einen Abbruch und lukrativeren Neubau zu spekulieren.

Die Ziviltechniker verweisen dazu auch auf den österreichischen Klima- und Energiefonds: Laut dessen Faktencheck zum „Brennpunkt Gebäudesektor“ stammt ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen aus diesem Bereich. Und ein UN-Bericht aus dem Jahr 2020 schätzte dessen Anteil weltweit sogar auf 38 Prozent.

Wesentlich sei dabei auch sogenannte „graue Energie“, die bei der Errichtung eines Gebäudes aufgewendet werden muss, sagt Bernhard Sommer, Architekt und Chef der Länderkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland. „Sie hat bei Neubauten mitunter dieselbe klimaschädliche Wirkung wie der Betrieb solcher Gebäude über 30 Jahre.“ Abbrüche von Gebäuden seien daher „in einem größeren Zusammenhang“ zu betrachten – was freilich auch „eine zwischen Bund, Ländern und Gemeinden abgestimmte Strategie im Wohnbausektor“ voraussetze. Denn Hindernisse für Sanierungen können sich auch aus der Flächenwidmung und aus baurechtlichen Bestimmungen ergeben.

80 Prozent weniger Kosten

Laut Fügenschuh werden durch eine optimale Gebäudesanierung im Schnitt 80 Prozent der Energiekosten reduziert. Eine Umstellung auf umweltfreundlichere Heizsysteme senke zudem nicht nur den CO2-Ausstoß, sondern verlängere auch die Restnutzungsdauer. Und die Mieterinnen und Mieter ersparen sich Energiekosten – während ad hoc viele von einer Deckelung der Mieten für unsanierte Gebäude profitieren könnten, meinen die Ziviltechniker. Vermieter wiederum hätten die Wahl, unabhängig vom Alter des Gebäudes durch Sanierung langfristig höhere Mieten zu erzielen.

Die Frage ist dann freilich, ob dadurch eine Gentrifizierung droht. Um das zu vermeiden, „müsste man für Altbauten bei Entfall oder Anhebung des Richtwertes Wege der sozialen Abfederung finden“, sagt Sommer. Daher müssten auch Ländergesetze und Fördermodelle angepasst werden, meint er.

Der Artikel wurde am 9. Februar 2023 in der Printausgabe und der Onlineausgabe der „Presse“ veröffentlicht.