Die Sektionen nach der Wahl 2014
Zusammen ist man stärker als allein
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege!
„Am besten kann man es erklären, indem man es macht.“ (Alice im Wunderland, Kapitel 3)
Wenn man was macht?
Das, was in unserem Alltag selbstverständlich ist und in der Kammer als unmöglich galt: eine konstruktive, vertrauensvolle Zusammenarbeit von Architektinnen und Architekten mit Ingenieurkonsulentinnen und Ingenieurkonsulenten.
Ein Arbeitsübereinkommen.
Am Anfang gibt es naturgemäß weniger Konfliktpotential als im Laufe einer Zusammenarbeit. Aus diesem Grund haben die Liste „WIR Ingenieure“ und die Liste „IG Architektur mit den Aktiven Senioren und der Next Generation“, die mit einer gemeinsamen Mehrheit im Kammervorstand aus den letzten Wahlen hervorgegangen sind, beschlossen, ein Koalitions- und Arbeitsübereinkommen zu erarbeiten und auch schriftlich zu fixieren – ein Novum in der Geschichte der Kammer. Die beiden Listen streben eine enge Zusammenarbeit mit und zwischen den beiden Sektionen an und sind der Überzeugung, dass nur dadurch gemeinsame Ziele der Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker erreicht werden können.
Aus den Erfahrungen der die Kammerarbeit lähmenden Zustände aus den Perioden zuvor streben wir eine Neuordnung der Länderkammer an. Mit der Arbeitsgruppe Struktur-Zukunft, die in der ersten Sitzung des Kammervorstands dieser Periode eingesetzt wurde, wird bereits an dieser Neuordnung gearbeitet. Sie wird sich unter anderem in einem Vorschlag zur Neufassung der Geschäftsordnung niederschlagen, der in der Kammervollversammlung zur Diskussion und zum Beschluss vorgelegt werden wird. Ziel ist aber auch die Überarbeitung des Ziviltechnikerkammergesetzes (ZTKG), um so eine verbriefte, gedeihliche, auf demokratischer Grundlage und gleicher Augenhöhe stattfindende Zusammenarbeit als belastbares Recht zu ermöglichen. Die Überarbeitung des Berufsrechts, also auch des Ziviltechnikergesetzes (ZTG), ist aber auch aus anderen Gründen überfällig.
Bis diese Reformen umgesetzt sind, wird vereinbart, als sichtbares Zeichen der neuen, kollegialen Führung zur Hälfte der Arbeitsperiode 2014 bis 2018 die Funktionen des Präsidenten und Vizepräsidenten zu tauschen.
Auf diese Weise konnte eine Präsidentschaft beider Sektionen erreicht werden! Wir haben vereinbart, die gemäß dem Ziviltechnikerkammergesetz und der Geschäftsordnung dem Präsidenten zugewiesenen Aufgaben in dieser Funktionsperiode gemeinschaftlich, als Vorsitzteam, wahrzunehmen. Soweit das ZTKG dem Präsidenten bestimmte Aufgaben und Befugnisse alleine zuweist, verpflichtet sich dieser, die Aufgaben und Befugnisse nur im Einvernehmen mit dem Vizepräsidenten wahrzunehmen.
Im Fall, dass eine Einigkeit zwischen den Sektionen nicht hergestellt werden kann, haben wir vereinbart, solche Projekte nicht weiterzuverfolgen. Es ist genug zu tun! Es ist aber auch wichtig, verschiedene Interessen, die sich aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel der verschiedenen Befugnisse ergeben, nicht zu leugnen. Solche Fälle wollen wir offensiv ansprechen, diskutieren und wo immer möglich einen konstruktiven Kompromiss finden.
Viele Ziele: Innovation und Demokratie!
Ausgerechnet die Kammer soll ein Motor für Innovation werden? Ausgerechnet von der Kammer sollen demokratiepolitische Impulse ausgehen? Sind die Kammern nicht als Bremser der Entwicklung Österreichs mindestens so verschrien wie unser „heiliger“ Föderalismus? Durchaus zu Recht, wenn man sich das Auseinanderklaffen zwischen der beruflichen Realität und den Verwaltungsregeln ansieht. Gelingt es uns, unsere Kammer näher an die Bedürfnisse und Erfahrungen der Mitglieder heranzuführen, dann wäre viel erreicht. Denn aus den Erfahrungen der Mitglieder werden wir erkennen, wohin sich deren Kompetenzen entwickeln müssen. Aus den Bedürfnissen werden wir erkennen, wie wir sie bestmöglich vertreten.
Zukunft mit Gedächtnis.
Es ist nur vordergründig paradox, dass es zur Entwicklung der Zukunft auch der Vergangenheit bedarf. Die Kammer soll ein Gedächtnis bekommen und Projekte sollen über mehrere Perioden nahtlos und ohne Verzug weitergeführt werden. Ein Anfang ist dabei gemacht: Der von Thomas Hoppe geleitete Ausschuss Wissenstransfer bleibt unter seiner Leitung und hat den ganzen Sommer über weitergetagt, wir bedanken uns herzlich für den Einsatz.
Gesellschaftliche Verantwortung.
Ein Herzensanliegen des neuen Vorsitzteams ist die Auseinandersetzung mit den nun auch in Wien geplanten PPP-Finanzierungsmodellen im Bildungsbereich. Argumentiert wird dies mit den Maastricht-Kriterien (EU-Konvergenzkriterien). Hier liegt ein Thema vor, das sowohl Architektinnen und Architekten als auch Ingenieurkonsulentinnen und Ingenieurkonsulenten massiv in ihrem Selbstverständnis trifft. Die Bedeutung dieses Themas geht aber weit über die Grenzen des Berufsstandes hinaus.
Das größte Problem dieser Finanzierungsmethode liegt unseres Erachtens im Fehlen von Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der öffentlichen Hand. Es wird Steuergeld für etwas ausgegeben, das nicht genau zu definieren ist und wo die Qualität nicht hinreichend kontrolliert werden kann. Demokratiepolitisch fragwürdig ist natürlich auch die Geheimhaltung der zugrundeliegenden Verträge. Absurd ist, dass ausgerechnet die Maastricht-Kriterien, deren Ziel ja die Stabilisierung von Schuldenstand und Defizit ist, Modelle fördern, die – bei größerem Risiko und weniger Einflussmöglichkeiten – die öffentliche Hand wesentlich teurer kommen.
Als Kammer sehen wir nun zwei Aufgaben: Erstens müssen wir unseren Einfluss geltend machen, dieser Praxis ein Ende zu setzen. Dieser Weg geht über die österreichische Politik und die europäischen Institutionen. Zweitens müssen wir bis dahin mit den Vertretern der öffentlichen Hand Wege finden, Planerverträge so zu gestalten, dass Einfluss und Kontrollmöglichkeiten für die Öffentlichkeit gewahrt bleiben. In diesem Sinne sind wir mit der Stadt Wien im Gespräch. Wir hoffen aber, dass Wien ehestens dem Beispiel anderer Länder und Kommunen folgen wird, z. B. Sachsen-Anhalt: „Sachsen-Anhalt beendet (...) die sogenannten PPP-Projekte. Hintergrund der Entscheidung (...) sind die massive Kritik des Landesrechnungshofs und des Finanzausschusses des Landtages. Beide sehen in PPP-Projekten keinen finanziellen Vorteil, sondern vor allem Risiken.“ (www.finanzen.at, 16.8.2014)
Wahlbeteiligung und Legitimation.
Es ist erfreulich, dass die Wahlbeteiligung sowohl anteilig als auch in absoluten Zahlen bei den letzten Wahlen gestiegen ist. In absoluten Zahlen gingen noch nie so viele Kollegen und Kolleginnen wählen. Diese Legitimation wird uns bei der Umsetzung unserer Ziele helfen, und für dieses Vertrauen und diese Unterstützung danken wir.
Peter Bauer
Bernhard Sommer