Rechtsschutz

Die folgende Übersicht gibt die wichtigsten Regelungen und Fristen im Vergaberechtsschutz wieder. Aufgrund der vielen Sonderregelungen muss jedoch im Einzelfall immer das BVergG 2018 in seiner aktuell gültigen Fassung konsultiert werden!

 

  • Nachprüfungs- und Feststellungsverfahren

Beim Rechtsschutz im Vergaberecht wird zwischen dem Nachprüfungsverfahren und dem Feststellungverfahren unterschieden, welche entweder vor dem Bundesverwaltungsgericht oder den Landesverwaltungsgerichten geführt werden.

Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens können Entscheidungen des Auftraggebers in einem laufenden Vergabeverfahren (z.B. die Ausschreibungsunterlagen oder das Ausscheiden eines Angebots) vor Gericht angefochten werden.

Das Feststellungsverfahren dient der Kontrolle von Entscheidungen des Auftraggebers nach Beendigung des Vergabeverfahrens (durch Zuschlagserteilung oder Widerruf) bzw. wenn überhaupt kein rechtskonformes Vergabeverfahren (z.B. unzulässige Direktvergabe, Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung) durchgeführt wurde.

Welche Entscheidungen bei welcher Verfahrensart angefochten werden können, ist gesetzlich durch § 2 Z 15 BVergG 2018 festgelegt, in welchem sämtliche „gesondert anfechtbaren" Entscheidungen taxativ angeführt sind.

Beispiel: Eine Bundesbehörde schreibt einen nicht offenen Wettbewerb im Oberschwellenbereich für die Planung der Sanierung und des Zubaus für eine Schule aus. In der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrags finden sich einige diskriminierende Bestimmungen. Die Ausschreibungsunterlagen können mittels Nachprüfungsantrag beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Das Gericht kann einzelne Bestimmungen oder die gesamte Ausschreibung für nichtig erklären.

Beispiel: In einer Gemeindezeitung wird berichtet, dass die Gemeinde Y die Planung für den Neubau eines Museums an den Baumeister X vergeben hat.  Recherchen ergeben, dass es niemals eine Ausschreibung für diesen Auftrag gab. Die Zuschlagserteilung kann mittels Feststellungsantrag beim zuständigen Landesverwaltungsgericht bekämpft werden. Das Gericht kann den Vertrag für nichtig erklären.

      

  • Wer kann Entscheidungen anfechten?

Jeder Unternehmer, der ein Interesse am Vertragsabschluss für den konkreten Auftrag nachweisen kann und ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Der Antragsteller muss nachweisen, dass er befugt und geeignet ist, den Auftrag auch tatsächlich erfüllen zu können.

Bei Planungsaufträgen können demnach nur Ziviltechniker(innen) und andere befugte Planungsbüros (planende Baumeister) z.B. die Ausschreibungsunterlagen oder eine unzulässige Direktvergabe anfechten, weil nur diese befugt und geeignet sind, den Auftrag auch tatsächlich zu erfüllen.

 

  • Welche Fristen gelten für die Anträge?

Das BVergG 2018 sieht kurze Präklusionsfristen vor. Damit einher geht der Verlust eines Rechts, wenn eine Rechtshandlung nicht innerhalb einer bestimmten gesetzlichen Frist vorgenommen wurde. Um den Anspruch also nicht zu verlieren, muss jede Rechtswidrigkeit im Vergabeverfahren innerhalb sehr kurzer Anfechtungsfrist geltend gemacht werden. Durch diese Präklusionsregelung sollen Vergabeverfahren innerhalb eines absehbaren Zeitrahmens durchgeführt werden und damit Rechtssicherheit geschaffen werden. Die kurzen Fristen bedeuten jedoch gleichzeitig, dass der Antragsteller rasch Handeln muss. Nicht rechtzeitig bekämpfte Festlegungen des Auftraggebers werden "bestandsfest".     

 

Nachprüfungsverfahren (§ 343 BVergG 2018)

10 Tage bei Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung auf elektronischem Weg sowie bei einer Bekanntmachung der Entscheidung (bzw. 15 Tage, bei einer Übermittlung über den Postweg oder einen anderen geeigneten Weg)

Die Frist beginnt mit der Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung bzw. der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung.

Bei der Anfechtung von Ausschreibungsunterlagen gilt jedoch, dass der Antrag spätestens 7 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist, der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten oder der Teilnahmefrist eingebracht werden muss.

Bei der Durchführung einer Direktvergabe beträgt die Frist 10 Tage ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von der gesondert anfechtbaren Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder erlangen hätte können.

Beispiel: Eine Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrags enthält zahlreiche diskriminierende Bestimmungen. Die Unterlagen können bis 7 Tage vor Ende der Frist zur Abgabe des Teilnahmeantrags angefochten werden.

 

Feststellungsverfahren (§ 354 BVergG 2018)

6 Monate, wenn der Zuschlag rechtswidrigerweise nicht dem  Billigst- oder Bestbieter erteilt oder der Widerruf rechtswidrigerweise erklärt wurde.

6 Monate, wenn ein Verfahren rechtswidrigerweise ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt oder der Zuschlag ohne vorherige Zuschlagsentscheidung erteilt wurde.

Die 6 Monate laufen ab dem Zeitpunkt, ab dem der Antragsteller Kenntnis vom Zuschlag bzw. des Widerrufs erlangt hat oder erlangen hätte können.

Beispiel:  Eine Gemeinde vergibt einen Planungsauftrag direkt an einen Baumeister, obwohl ein Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zwingend vorgeschrieben ist. Die unzulässige Direktvergabe kann 6 Monate ab dem Zeitpunkt bekämpft werden, in dem der Antragsteller vom Zuschlag Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis erlangen hätte können.

  

  • Welche Behörden sind für die Vergabekontrolle zuständig?

Für Rechtsschutzverfahren in Bezug auf Auftragsvergaben des Bundes und dessen ausgegliederter Rechtsträger ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zuständig.

Für Rechtsschutzverfahren in Bezug auf Auftragsvergaben der Länder, Gemeinden und deren ausgegliederter Rechtsträger sind die neun Landesverwaltungsgerichte (LVwG) zuständig.

In Niederösterreich ist vor Einbringung eines Nachprüfungsantrags beim LVwG die Schlichtungsstelle anzurufen.

    

  • Welche Rechtsfolgen hat eine erfolgreiche Anfechtung?

Das Gericht kann die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers für nichtig erklären.

Im Nachprüfungsverfahren kann das Gericht vorab auf Antrag eine einstweilige Verfügung erlassen, wodurch es dem Auftraggeber für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt ist, weitere Entscheidungen im Vergabeverfahren zu treffen.

Wenn bereits ein Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Zuschlagsempfänger zustande gekommen ist, hat das Gericht im Feststellungsverfahren grundsätzlich auch den Vertrag für nichtig zu erklären. Wenn der Vertrag nur teilweise oder gar nicht für nichtig erklärt wird, z.B. weil die vertraglichen Leistungen bereits erbracht wurden und eine Rückabwicklung nicht möglich oder nicht sinnvoll wäre, kann das Gericht gegenüber dem Auftraggeber auch „alternative Sanktionen“ wie Geldbußen verhängen.

Beispiel: Ein Angebot wird zu Unrecht ausgeschieden. Diese vom Auftraggeber getroffene Ausscheidensentscheidung wird vom Bieter mittels Nachprüfungsantrag erfolgreich angefochten und vom Gericht für nichtig erklärt. Der Auftraggeber muss das Angebot erneut prüfen.

Beispiel: Eine Gemeinde vergibt einen größeren Planungsauftrag direkt und ohne vorherige Ausschreibung an einen Baumeister. Das Gericht kann den Vertrag für nichtig erklären. Die Gemeinde muss ein rechtskonformes Vergabeverfahren durchführen.

Siehe zum Thema Direktvergaben und dem aus Sicht der Kammer bestehenden Rechtsschutzdefizit den Artikel „Unzulässige Direktvergaben von öffentlichen Auftraggebern ade!“.