zt: in den Medien „Es gibt nicht delegierbare Bauherrenaufgaben“

Im Puls-24-Talk „Wirtschaft 24“ vom 19. September 2024 erläuterte Länderkammerpräsident Bernhard Sommer im Gespräch mit der Moderatorin Isabella Richtar die Risiken einer Totalunternehmer- und die Vorteile einer Einzelgewerkvergabe.

 

Isabella Richtar:            Wir sind heute mit einem wirklich brisanten Thema am Start: Es geht um sogenannte Totalunternehmeraufträge, die bei öffentlichen Bauherren immer beliebter werden, aber leider ganz viele Nachteile mit sich bringen, nämlich für uns als Gesellschaft, als Steuerzahler:innen – und nicht zuletzt auch fürs Klima. Was da genau dahintersteckt, das erzählt uns jetzt mein heutiger Gast Bernhard Sommer, Präsident der Kammer der Ziviltechniker:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Jetzt erklär uns mal, Bernhard: Bauvorhaben sind ja prinzipiell sehr risikobehaftet. Jetzt versuchen Auftraggeber:innen, dieses Risiko, so heißt es, ein bisschen abzuwälzen, indem sie Totalunternehmeraufträge vergeben. Was sind denn das für Aufträge?

Bernhard Sommer:       Das sind Aufträge, wo Sie eigentlich die Katze im Sack kaufen. Sie wissen dann nicht einmal, welches Gebäude Sie bestellen. Es ist ein Auftrag, wo die Planung und die Errichtung in einer Hand vergeben wird, d. h., ich habe es schon vergeben, bevor es geplant ist.

Richtar:              Die Ziviltechniker:innen empfehlen eine andere Vergabepraxis, nämlich die Einzelvergabe an Einzelgewerke. Wo liegt da der Vorteil in euren Augen?

Sommer:            Der Vorteil der Einzelgewerkvergabe ist die bessere Steuerbarkeit des Projekts. Sie sehen dann, in welchem Gewerk Kosten liegen und vielleicht auch Zeitschwierigkeiten auftreten. Und Sie können sich durch die Totalunternehmervergabe das Risiko nicht ersparen. Es gibt verschiedene Abstufungen, also wenn Sie das Projekt z. B. an ein Unternehmen, das alle Gewerke liefert, vergeben würden, das nennt man Generalunternehmer, dann macht der einen Aufschlag von 10 % bis 15 %, und beim Totalunternehmer sind es 20 % bis 25 %, das wird immer teurer. Sie können sich das Risiko abkaufen lassen, aber in Wirklichkeit bleibt es immer bei Ihnen. Das sehen auch der Oberste Gerichtshof und der Rechnungshof so, es gibt …

Richtar:              Es ist also eine Augenauswischerei?

Sommer:            Es ist eine Augenauswischerei, ein Trugschluss. Es gibt nicht delegierbare Bauherrenaufgaben.

Richtar:              Die Planung spielt ja bei Totalunternehmeraufträgen eine ganz wesentliche Rolle und stellt ein großes Problem dar, wie wir auch erst kürzlich im Fall des Dachs des Ernst-Happel-Stadions gesehen haben, da ist es auch medial präsenter geworden. Ein Riesenauftrag, 50 Millionen oder noch mehr, das hätte groß ausgeschrieben werden müssen, ist dann auch passiert, aber es wurden gewisse Fristen nicht eingehalten. Was ist da genau passiert und wie wäre das zu verhindern gewesen?

Sommer:            Zum einen wurde aufgrund der Fristsetzung und der Art der Ausschreibung der Bieterkreis künstlich klein gehalten. Und dann weiß man in der Marktwirtschaft: Wenn ich wenig Bieter habe, werde ich einen teureren Preis kriegen. Zum anderen kann ich dadurch, dass ich die Planung gemeinsam mit der Errichtung vergebe, die Planung eben nicht steuern, ich weiß nicht, was passiert. Und die Aufgabe der Planung ist, wenn man es mit einer Firma vergleicht, sozusagen die Forschung und Entwicklung und dann die Qualitätssicherung, dazwischen ist die Produktion. Das ist ein funktionierendes System: Der, der das Projekt geplant hat, soll es nachher auch kontrollieren. Das fällt beim Totalunternehmer komplett weg.

Richtar:              Laut Verwaltungsgericht Wien stellt der Anteil der Planung in einem Totalunternehmerauftrag wie beim Ernst-Happel-Stadion eine „Nebenleistung“ dar. Ich kenne mich zwar überhaupt nicht aus, was Architektur betrifft, aber dass eine Planung von so einem Riesenprojekt eine Nebenleistung darstellt, scheint mir irgendwie komisch.

Sommer:            Der Richter ist natürlich nicht vom Fach, und dann sucht man sich Dinge, entlang derer man sicher entscheiden kann, und das sind immer Zahlen. Die Zahl, die bei einer Vergabe naheliegt, ist die Auftragssumme. Dann nimmt er die Auftragssumme her, 50 Millionen, was wird die Planung kosten? Vielleicht 10 %, vielleicht 15% … Und dann sagt er, das spielt da keine Rolle. Das ist natürlich ein Wahnsinn, weil die Planung von den Kosten über die Termine, über die Qualitätssicherung, über die Entwicklung, was überhaupt gebaut wird, in Wirklichkeit ein enormer Hebel ist, der ein Vielfaches der Bausumme ausmacht.

Richtar:              Gerade jetzt, wo nachhaltiges Bauen immer wichtiger wird, oder? Welche Rolle spielt denn da die Planung?

Sommer:            Dort, wo man sie lässt, eine sehr große. Genau hier ist die Unabhängigkeit so wichtig, weil es Firmen gibt, die auf Betonbau, auf Holzbau, auf Stahlbau spezialisiert sind. Natürlich muss eine Firma Gewinn machen, das ist auch nichts Schlechtes, das ist ihre Aufgabe, aber sie wird dann natürlich in die Richtung entwickeln, die für sie wirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn wir aber jetzt neue Arten zu bauen suchen, wenn wir anders bauen müssen in Zukunft, dann brauchen wir eine unabhängige Planung. Die ist also wichtiger denn je.

Richtar:              Ist das jetzt auch die Forderung der Kammer der Ziviltechniker:innen bezüglich der Totalunternehmeraufträge?

Sommer:            Ja, wir fordern, dass man mit dieser unsäglichen Unkultur aufhört, vor allem im öffentlichen Bereich. Die öffentliche Hand darf unseres Erachtens überhaupt nicht auf diese Weise vergeben.

Richtar:              Vielen Dank dafür, dass wir das Thema auch medial noch einmal ein bisschen aufbereiten konnten. Abschließend: Unser Staffelthema ist Leichtigkeit, und Leichtigkeit und Architektur, das ist ja wie Bruder und Schwester, oder?

Sommer:            Ja, das kann man so sagen. Die Leichtigkeit ist mit dem nachhaltigen Bauen ein bisschen in Verruf gekommen, weil man gesehen hat, dass die Masse hilft, Temperaturschwankungen auszugleichen, die Masse ist dauerhaft. Die Leichtigkeit wird aber genau über die Ökologisierung wieder an Bedeutung gewinnen, weil Masse heißt auch mehr „Global Warming Potential“, also mehr CO2-Ausstoß beim Transport, bei der Herstellung usw.

Richtar:              Also die Leichtigkeit hat in der Vergangenheit eine größere Rolle gespielt?

Sommer:            Ja, und sie wird auch in der Zukunft wieder eine größere Rolle spielen. Ich hoffe, wir werden in Zukunft Häuser haben, so leicht wie ein Sommerkleid, das atmet.

Richtar:              Das hoffe ich auch. Vielen Dank, halt uns auf dem Laufenden.