Replik auf "Sonnenschutz: Haben Bildungsproblem bei Architekten" vom 7.7.

Foto © derStandard vom 7.7.2018

Qualitätsjournalismus versus Schlagzeile. Qualitätsjournalismus bedeutet für uns Faktencheck. Im Standard vom 7.7.2018 wurde darauf vergessen. Das Präsidium der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland bezieht sich auf das Interview "Sonnenschutz: Haben Bildungsproblem bei Architekten" im Print- und Onlinemedium.* (Sie dazu die Richtigstellung des Standards am Ende des Artikels.)

Im Interview mit dem Sprecher des Bundesverbands Sonnenschutztechnik, Ing. Johann Gerstmann, wurden einige "Hörensagen-Aussagen" nicht hinterfragt beziehungsweise vor Veröffentlichung nicht auf ihre Richtigkeit geprüft. Alleine die Aussage "Laut OIB-Richtlinie 6 ist die Planung von Gebäuden so auszuführen, dass die Innentemperatur während des Tages ohne mechanische Kühlung nicht über 27 °C und während der Nacht nicht über 25 °C liegt." ist in mehrfacher Hinsicht unrichtig. Hier wurden Richtlinie und Norm verwechselt und Begriffe vermischt.

Wir dürfen richtigstellen: In der OIB Richtlinie 6 werden keine maximal zulässigen Innentemperaturen und daher auch keine mögliche Überschreitung an 130 Tagen in 10 Jahren festgelegt. Während in der einschlägigen Ö-Norm ein vereinfachter Nachweis nur unter der Bedingung möglich ist, dass der Tagesmittelwert der Außentemperatur mit einer Überschreitungshäufigkeit von 130 Tagen in 10 Jahren höchstens 23 Grad Celsius beträgt, ist gemäß OIB Richtlinie 6 der vereinfachte Nachweis unabhängig von der Außentemperatur möglich. Die Tatsache, dass im Interview unzufriedenen Nutzenden geraten wird, den Zivilrechtsweg einzuschlagen, ist unter dem oben angeführten Gesichtspunkt - dem Unterschied zwischen Baurecht und Normen - besonders kritisch zu sehen.

Die Empfehlung von Herrn Ing. Johann Gerstmann, dessen Firma auch in dem einschlägigen Normenkomitee 175 vertreten ist, generell elektrisch gesteuerte Außenjalousien auszuführen, ist nachvollziehbar. Die Entscheidung, ob sich diese Qualität jeder leisten muss, sollte jedoch dem Gesetzgeber überlassen bleiben. Schließlich ist es auch erlaubt, Autos zu fahren, die nicht über eine elektronische Einparkhilfe verfügen - auch wenn sich mancher Lobbyist den neuesten Stand der Technik für alle verpflichtend wünschen würde.

Das Positive zum Schluss: Der Hinweis von Ing. Johann Gerstmann, dass ZiviltechnikerInnen, also staatlich befugte und beeidete ArchitektInnen und IngenieurkonsulentInnen, bei Problemen die bestmögliche Lösung finden, freut uns. Denn natürlich ist an der Universität das Thema der sommerlichen Überwärmung im Studienplan für Architekturstudierende fix verankert. Die Farbwahl ist in diesem Zusammenhang übrigens auch für die physikalische Wirkungsweise nicht unerheblich. Insofern ist der Titel des Interviews "Sonnenschutz: Haben Bildungsproblem bei Architekten" missverständlich gewählt.

Wir bedauern dies sehr, empfahlen der Standard-Redaktion am 13.7.2018, um die Diskussion in diesem zweifellos wichtigen Thema nicht unnötig zu erschweren, die oben angeführten Fakten richtig zu stellen und sich bei Planungsfragen oder der Suche nach der besten Lösung im Rahmen der umfangreichen Leistungspalette vertrauensvoll an ZiviltechnikerInnen zu wenden.

Ihr Präsidium

*Die Onlineredaktion des Standards stellte nach Stellungnahme der Kammer den Part "Richtlinien/Normen" am 16.07.2018 im Artikel richtig.