Bauordnungsnovelle 2018: Definition der „technischen Unmöglichkeit“

Bauordnungsnovelle 2018 § 60 Abs. 1 lit. d BO; Begriff der „technischen Unmöglichkeit“ definiert; (c) Die Presse, Clemens Fabry

Mit der Änderung der Wiener Bauordnung vom 29.Juni 2018 (LGBl 37/2018), wir hatten unter News und per Presseaussendung informiert, wurden die Bestimmungen der Bauordnung zur Bewilligungspflicht der Abbrüche von Bauwerken verschärft und auf Gebäude die vor dem 1.1.1945 errichtet wurden erweitert. Mit Wirkung vom 30. Juni 2018 ist nunmehr ein Abbruch von Bauwerken in Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre sowie der Abbruch von Gebäuden, die vor dem 1.1.1945 errichtet wurden, bewilligungspflichtig, wenn der Anzeige des Abbruchs gemäß § 62a Abs. 5a BO keine Bestätigung des Magistrats angeschlossen ist, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht. Für Bauwerke in Schutzzonen und Gebäude, die vor dem 1.1.1945 errichtet wurden, darf die Abbruchbewilligung nur erteilt werden, wenn an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht oder sein Bauzustand derart schlecht ist, dass die Instandsetzung technisch unmöglich ist oder nur durch wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen bewirkt werden kann.

Der Begriff der "technischen Unmöglichkeit" wurde bereits in der Bauordnungsnovelle 2014 eingeführt, indem im § 129 Abs. 4 BO der fünfte Satz geändert wurde auf: "Die Räumung oder der Abbruch von Bauwerken oder Bauwerksteilen ist anzuordnen, wenn die technische Unmöglichkeit der Behebung der Baugebrechen erwiesen ist."

In den erläuternden Bemerkungen zur Bauordnungsnovelle wurde angeführt:

"Abs. 4 wird daher in der Weise geändert, dass die im vierten Satz dieser Bestimmung derzeit normierte rein quantitative Betrachtung der für einen Abbruchauftrag erforderlichen Substanzveränderung entfällt. Dies ändert nichts daran, dass tiefgreifende Änderungen der Bausubstanz eine technische Unmöglichkeit der Instandsetzung mit sich bringen können. Ob dies im Einzelfall zutrifft, ist jeweils durch das Gutachten eines Sachverständigen festzustellen."

Nachstehend einige Auszüge aus den Entscheidungen des VwGH in Bezug auf den Begriff der technischen Unmöglichkeit:

  • Geschäftszahl 1378/68: Einer technischen Unmöglichkeit der Instandsetzung ist es gleichzuhalten, wenn hiezu Baumethoden angewendet werden müssten, deren Anwendung in Wahrheit eine völlige Substanzveränderung oder eine Erneuerung des Gebäudes darstellen würde.
  • Geschäftszahl 2002/05/1200: Einer technischen Unmöglichkeit der Instandsetzung ist es gleichzuhalten, wenn hiezu Baumethoden angewendet werden mussten, deren Anwendung in Wahrheit eine völlige Substanzerneuerung oder eine Erneuerung des Gebäudes - was jedenfalls bei Ersetzung von nahezu allen wesentlichen raumbildenden Bauelementen durch neue Bauteile zutrifft - darstellt.
  • Geschäftszahl 2005/05/0370: Hat der Verfallszustand des Gebäudes bereits ein derartiges Ausmaß angenommen (Einsturz, Durchfeuchtung, Vermorschung, Verwitterung), dass nahezu alle wesentlichen raumbildenden Bauelemente in ihrer Substanz erneuert werden müssen, ist eine derartige Erneuerung einer technischen Unmöglichkeit der Instandsetzung gleichzuhalten.
  • Geschäftszahl 2009/05/0031: Nun ist es zwar technisch kaum absolut unmöglich, einen Hauskanal herzustellen und an den öffentlichen Kanal anzuschließen. Nimmt man aber an, dass der Regelung über die Anschlussmöglichkeit eine normative Bedeutung zukommt (was einem Gesetz grundsätzlich zu unterstellen ist), dann kann sie nur so verstanden werden, dass eine Möglichkeit des Anschlusses jedenfalls dann fehlt, wenn auf Grund der konkreten Gegebenheiten, etwa der geologischen Verhältnisse, spezielle und im Zusammenhang mit einer Hauskanalherstellung und einem Anschluss an den öffentlichen Kanal unübliche technische Mittel und Methoden angewandt werden müssen, um die Abwasserentsorgung einwandfrei zu bewerkstelligen.

Mit den o.a. Definitionen der technischen Unmöglichkeit ist davon auszugehen, dass die technische Unmöglichkeit in der Regel automatisch auch einen unzumutbaren wirtschaftlichen Aufwand nach sich zieht. Warum der Gesetzgeber die technische Unmöglichkeit trotzdem angeführt hat, kann daher so verstanden werden, dass auch der sehr seltene Fall einer wirtschaftlichen Zumutbarkeit bei gleichzeitiger technischen Unmöglichkeit (im o.a. Sinne) abgedeckt ist.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass bei fehlender Bestätigung des Magistrats, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht, ein Ansuchen um Abbruchbewilligung eingebracht werden kann, dem auch ein entsprechendes Gutachten eines befugten Ziviltechnikers, dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht vorgelegt werden kann, welches der Beweiswürdigung der erkennenden Behörde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens unterliegt. Davon unberührt bleibt das Prozedere bei einem Ansuchen um Abbruchbewilligung wegen der "wirtschaftlichen Abbruchreife".