Stadtplanungsstrategie für Wien

Die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten plant ab Herbst eine Offensive zu Fragen der Stadtplanung in Wien. Sie hat dazu als Denkanstoß das Strategiepapier "Stadtentwicklung Wien" in Auftrag gegeben. Im Folgenden erläutern Präsident DI Peter Bauer, Vizepräsident Architekt DI Bernhard Sommer und Architekt DI Christoph Mayrhofer, Sektionsvorsitzender Architekten, Motivation und Ziele der Initiative.

In einer Zeit rascher Veränderungen, nicht zuletzt einem schnellen Stadtwachstum geschuldet, treten Defizite im Bereich der Stadtentwicklung besonders deutlich zutage. Die Notwendigkeit, rasch ausreichenden Wohnraum mit all den dazu notwendigen Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen, der Zwang zu Verdichtung aufgrund von Grundstücksknappheit und der daraus resultierende Druck auf bestehende Grünzonen, all diese Phänomene verlangen ebenso rasche Planungsentscheidungen.

Dieser Dynamik ist das durchaus erfolgreiche Wiener Modell der sanften Stadterneuerung längst nicht mehr gewachsen, eine wirkliche Antwort existiert nicht. Die Lösung erscheint immer stärker in reiner bauplatz- bzw. objektbezogener Produktion von Nutzflächen zu bestehen. Eine Strategie für Stadtgestaltung im Sinne einer originären und zeitgemäßen Antwort in Fragen der Architektur und des Städtebaus wird schmerzlich vermisst. In dieser Situation besteht die Gefahr, Stadtplanung in den Aufgabenbereich privater Investoren abzuschieben.

Gefahr einer Privatisierung der Stadtplanung

Private Investitionen in die Stadt sind lebenswichtig, die Dressur des Stadtraums allein durch kurzfristigen ökonomischen Erfolgszwang lässt jedoch die Wahrung von Allgemeininteressen zu kurz kommen. Dies äußert sich nicht zuletzt in immer häufiger auftretenden Konflikten mit der Bevölkerung in der Folge von Neubauprojekten. In Anbetracht der zunehmenden Betonung partizipativer Rechte im Sinne von Akzeptanzverfahren erscheint das zunächst paradox. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass sich Partizipationsverfahren ohne Definition von Mitbestimmungskompetenzen kontraproduktiv auswirken. Bei aller Wertschätzung für Partizipationsprozesse bzw. Kooperationsverfahren sollte das Ergebnis nicht zu einem Konglomerat von Kompromissen degenerieren, das schon für die nächste Generation zur Belastung wird.

Als eines der Grundprobleme in diesem Zusammenhang sehen wir die Trennung von Architektur und Städtebau, also das Bild der Architektur als reine Gestalterin von Objekten in einem bereits vorgegebenen Rahmen. Ein weiteres sind fehlende überörtliche Planungsinstrumente. So fehlt etwa jegliches Raumordnungsinstrument, um vom Grundsatzkatalog des STEP transparent und nachvollziehbar zum detaillierten, bauplatzscharfen Bebauungsplan zu gelangen. Diesen Mangel hat auch die neue Stadtregierung in ihrem Regierungsprogramm festgehalten.

Kompetenzen der Architektinnen und Architekten abrufen

Die gegenwärtig praktizierten Prozesse der Stadtentwicklung basieren auf der getrennten Betrachtung von Stadtplanung und Architektur. Architektur wird als nachrangige Disziplin aufgefasst und die Architektin, der Architekt im Städtebauverfahren daraus abgeleitet "zu Recht" in die Rolle des darstellerischen Experten in der Gruppe verwiesen. Der Verzicht auf die Kompetenz von Architektinnen und Architekten, die Stadt auch räumlich und künstlerisch zu denken, hat aber weitreichendere Konsequenzen, als man gemeinhin annimmt. In Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten auf den Gebieten der (Frei-) Raumplanung, der Verkehrsplanung, der Soziologie usw. sind sie die Einzigen, die die Kompetenz zum Planen der Stadt über die reine Erfüllung von definierten Notwendigkeiten hinaus besitzen. Stadtplanung ist eben ganz wesentlich auch Entwurfsarbeit. Diese kulturelle Dimension von Stadtplanung wird derzeit negiert.

Eine selbstbewusste Stadt definiert sich nicht zuletzt über die räumliche Idealisierung eines Gemeinwesens - den Sinn für Architektur als gesellschaftliche Kraft vorausgesetzt.

Forderung: übergeordnetes Stadtplanungsdepartment für Wien

Die Aufsplitterung von Zuständigkeiten in unterschiedliche Ressorts und zahlreiche Magistratsabteilungen macht es der Stadt in Anbetracht der enormen Anforderungen unmöglich, die Herausforderungen ganzheitlich und baukulturell überzeugend zu bewältigen.

Wien braucht einen Neustart, ein übergeordnetes Stadtplanungsdepartment mit einem engagierten, interdisziplinären Team, das Kompetenz, Vision, Kontinuität einbringt und in dem es kompetente, charismatische Persönlichkeiten als verantwortliche Ansprechpersonen gibt. Ein Instrument dieses Departments sollte eine verbindliche Planungsebene zwischen STEP und Flächenwidmungs- sowie Bebauungsplan sein. Die Politik hat im demokratischen Gemeinwesen als Einzige die Autorität, die Ziele mit der Bevölkerung zu generieren und sie in der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Es ist uns ein Anliegen festzuhalten, dass die "kompetenten, charismatischen Persönlichkeiten" im Bereich des Magistrats gewiss vorhanden sind, aber in der jetzigen Struktur ihre Wirkung nur unter Mühen, oder auch nicht, entfalten können. Unsere Kritik, die wir vielmehr als Denkanstoß verstanden wissen wollen, bezieht sich nicht auf die Administration, schon gar nicht auf einzelne Personen. Diese bemühen sich redlich und durchaus auch erfolgreich um bestmögliche Ergebnisse in der gegeben Struktur. Wir wollen die gegebenen gesetzlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen diskutieren.