„Ironimus“ Gustav Peichl ist verstorben. Genie, geschätzter Kollege, (d)ein Nachruf

Am Mittwoch, 26. November 2014 erhielt Architekt Mag.arch.Univ.Prof. Gustav Peichl im Rahmen der Kammervollversammlung und unter tosendem Applaus den Goldenen Ehrenring der Kammer der ZiviltechnikerInnen.

Im Rahmen der Zeremonie schenkte Gustav Peichl der Kammer 2014 eine Zeichnung, die wir in Ehren halten!

Nur wenige haben die Gabe, gleich in zwei Berufen erfolgreich zu sein. Gustav Peichl zählte zu ihnen. Als Architekt und Karikaturist österreichweit bekannt, als Mentor und Wegbereiter der österreichischen Architektur weit über die Grenzen geschätzt. Seine Gebäude besitzen zeitlose Qualitäten. Im Dokumentarfilm "Ein Architekt aus Wien - Gustav Peichl" sagte er:
"Ich möchte als bescheidenen Ratschlag für junge Architekten meinen, sie sollten sich das Schützenhaus am Donaukanal oder die Postsparkasse und die Steinhofkirche genauer ansehen. Da lernt man mehr, als in einigen Jahren Architekturstudium. [...] Otto Wagner hat es verstanden, immer modern, jedoch nie modisch zu sein. Das ist das Zauberwort und das sollte es auch heute sein. Nicht die Tagesmoden der Architektur gilt es mitzumachen, sondern die zeitlose Qualität anzustreben. Dass das nicht leicht ist, das wissen wir. Nur, die Vorbilder aus früheren Zeiten sollten uns dabei helfen."

Am 18. März 1928 in Wien geboren, besuchte Peichl zunächst 1943/44 die Staatsgewerbeschule in Wien Mödling und von 1946 bis 1948 die Bundesgewerbeschule in Linz. Danach studierte Peichl in der Meisterklasse Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste, wo er später selbst als Professor und Rektor tätig war. Ehe er 1955 ein eigenes Architekturbüro in Wien eröffnete, arbeitete er im Atelier Roland Rainer. Nachdem Aufträge auf sich warten ließen, wurde er sein eigener Bauherr: Peichls erster Bau ist sein 1962 fertiggestelltes eigenes Wohnhaus in der Grinzinger Himmelstraße, "billigst gebaut" auf nur fünfeinhalb Meter breiter Grundstücksfläche, heute Anziehungspunkt von Architekturstudenten aus aller Welt. Am Sonntag, 17.11.2019 verstarb er im Alter von 91 Jahren ebendort, in einem seiner Lieblingsbauten, zuhause.

1964 gründete Peichl die Zeitschrift Bau - Schrift für Architektur und Städtebau mit Hans Hollein, Walter Pichler und Oswald Oberhuber. Auch der Weltausstellungspavillon für die Weltausstellung im Jahr 1964 wird von ihm entworfen. Von 1973 bis 1996 war er Professor an der Akademie der bildenden Künste Wien und Leiter der Meisterschule. Als Architekt wurde er durch den Bau von sechs Studios für den ORF bekannt, die alle nach dem gleichen architektonischen Prinzip gebaut sind: Die Räume sind um einen Zentralraum in Form von Kreissegmenten angeordnet, weshalb der Spitzname "Peichl-Torte" entstanden ist. In Deutschland sind die Bundeskunsthalle in Bonn und die Kindertagesstätte in Berlin nahe dem Reichstagsgebäude seine prominentesten Werke. Charakteristisch für Peichls Bauten ist die Verwendung von Sichtbeton. Die Errichtung von Kulturbauten blieb sein liebstes Metier.
1986 gewann er den Wettbewerb zur Gestaltung der Bonner Bundeskunsthalle, 1987 jenen für den Erweiterungsbau des Frankfurter Städel-Museums. 1998/99 errichtete er die Kindertagesstätte des Deutschen Bundestags in Berlin, die Münchner Kammerspiele sowie das Karikaturmuseum Krems.
Internationale Anerkennung brachten ihm seine Bauten der ORF-Landesstudios ein: Die Studios in Salzburg, Linz, Innsbruck und Dornbirn wurden 1972 eröffnet, in den 1980er-Jahren folgten Graz und Eisenstadt, 1998 auch St. Pölten. In Wien zeichnen Peichl und sein Büro unter anderem für den Millenium Tower und die Messe Wien verantwortlich.
Am 26. November 2014 erhielt Architekt Mag.arch.Univ.Prof. Gustav Peichl im Rahmen der Kammervollversammlung den Goldenen Ehrenring unserer Kammer. Damit schloss auch die Berufsvertretung an den Reigen der unzähligen Auszeichnungen an: beginnend 1969 mit dem Preis der Stadt Wien, 1971 dem Großen Österreichischen Staaatspreis für Architektur, 1986 dem Mies van der Rohe Award for European Architecture bis 2013 dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, um nur einige zu nennen.

Gustav Peichl hinterlässt Tochter Ina sowie die Söhne Markus und Sebastian. Seinen Kindern gilt unser tief empfundenes Mitgefühl.

Mit großem Dank und in Gedenken an unseren einmaligen Kollegen!