Bundespräsidentenwahl 2016: Arch+Ing Fragen zu CETA und TiSA von den Kandidaten beantwortet

Arch+Ing Fragen zu Freihandelsabkommen "Comprehensive Economic and Trade Agreement" (CETA) sowie "Trade in Services Agreement" (TiSA) beantwortet

Als gesetzliche Interessenvertretung sind wir aufgerufen, innerhalb unseres örtlichen Wirkungsbereichs die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Architekt(inn)en und Ingenieurkonsulent(inn)en zu wahren sowie uns systematisch für die Verbesserung der Modalitäten der Berufsausübung einzusetzen. Diese sehen wir durch die geplanten Freihandelsabkommen CETA zwischen Europa und Kanada sowie TiSA zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen gefährdet. Es ist unsere Pflicht als Berufsvertretung, Änderungen des Berufsumfeldes zu beobachten und speziell auf diese extreme Ungleichmäßigkeit der Arbeitsmöglichkeiten hinzuweisen und die öffentliche Wahrnehmung auf die Diskussion dieses brennenden Themas zu lenken.

Per Klick auf die Links können Sie die von Präsident DI Peter Bauer und Vizepräsident Architekt DI Bernhard Sommer gezeichneten Schreiben an die Kandidaten der Stichwahl (2. Oktober 2016) downloaden. Die von Dr. Alexander Van der Bellen und Ing. Norbert Hofer übermittelten Antworten finden Sie, chronologisch nach Eingangsdatum gelistet, im Folgenden.

Dr. Alexander Van der Bellen

Antwortschreiben Dr. Alexander Van der Bellen

(eingegangen per E-Mail am 29.07.2016)

Das TiSA (Trade in Services Agreement) ist ein geplantes Abkommen zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen. Für die EU-Mitgliedstaaten führt die Europäische Kommission die Verhandlungen. Kritische Beobachter sehen in diesem Vorhaben erhebliche Risiken wie Verschlechterungen bei der Versorgungsqualität und -sicherheit.

Alexander Van der Bellen lehnt ein Abkommen ab, wenn dies erhebliche Nachteile für wichtige öffentliche Dienstleistung wie die Bildung, Wasser- und Energieversorgung, öffentlicher Nahverkehr, Abfallentsorgung und das Gesundheitswesen bringen könnte. Es ist wichtig, dass etwa Städte und Gemeinden auch in Zukunft die Möglichkeit haben selbst festzulegen zu können, wie und in welcher Weise und Qualität öffentliche Dienstleistungen erbracht werden.

Wir hoffen, dass dies Ihre Frage beantwortet. Generell gilt zu sagen:

Der Bundespräsident soll Österreich würdig in der Welt vertreten. Er soll als Stimme der Vernunft, als ein Präsident der ausgleicht, der verbindet und Brücken baut und der zuhört, Österreich in der Welt gut vertreten. Nur so und mit klarer Haltung, wird Österreich im Ausland auch gehört werden, wenn es um unsere Grundwerte, Gleichheit, Freiheit, Menschlichkeit geht.

Der Bundespräsident ist aber kein "Ersatzbundeskanzler" und auch kein Ersatz-Innenminister (Umweltminister, etc.). Es handelt sich bei den von Ihnen angesprochenen Maßnahmen um Aufgabenbereiche, die von den zuständigen Ministern in der Bundesregierung vorangetrieben werden müssen. Nichtsdestotrotz wird sich Alexander Van der Bellen zu diesem wichtigen Anliegen selbstverständlich auch als Bundespräsident zu Wort melden und auch bei der Bundesregierung entsprechende Reformen einmahnen.

Ing. Norbert Hofer

Antwortschreiben Ing. Norbert Hofer

(eingegangen per E-Mail am 29.08.2016)

Ich teile die von Ihnen dargelegten Bedenken vollumfänglich und lehne nicht nur das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP), sondern auch CETA und TiSA in ihrer jetzigen Form ab. Den in einer höchst intransparenten Weise hinter verschlossenen Türen ausverhandelten Abkommen stehen auch tausende Österreichinnen und Österreicher kritisch bis ablehnend gegenüber. Auch hunderte Gemeinden und die Landeshauptleute haben sich bereits klar gegen TTIP und CETA ausgesprochen.

Das euro-kanadische Freihandelsabkommen CETA wurde seitens der EU- Kommission als großer Fortschritt für die europäische Wirtschaft gewertet, die angebliche Reform des darin enthaltenen Investor-Staat-Schiedsgerichtssystems (ICS) als Meilenstein des Investitionsschutzes. In Wahrheit stellt das Vertragswerk ein Musterbeispiel für die Interessendurchsetzung multinationaler Konzerne dar, die mithilfe der sogenannten regulatorischen Kooperation künftig Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen und unsere bewährten Rechtssysteme mithilfe aushebeln können. Der von der Firma Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland angestrengte Rechtsstreit auf Entschädigungszahlung aufgrund des Ausstiegs aus der Kernenergie gibt einen Vorgeschmack darauf, worauf wir uns einzustellen haben werden, sollte CETA in der beabsichtigten Form in Kraft treten.

Das Trade-in-Services-Agreement (TiSA) sehe ich ähnlich problematisch. Trotz aller Beteuerungen seitens der zuständigen EU-Handelskommissarin sehe ich unsere öffentliche Daseinsvorsorge als lukratives Spekulationsobjekt gefährdet.
Speziell was Ihre verantwortungsvolle Branche der Architekten und Ingenieurkonsulenten angeht muss es Staaten zudem möglich sein, eigene Sorgfaltsniveaus und Voraussetzungen für die Wahrnehmung dieser Funktionen zu schaffen. Gleichmacherei auf globalem Niveau birgt durch die allzu häufige Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner nicht nur die Gefahr der Vernichtung traditionell gewachsener Besonderheiten, es droht auch eine Nivellierung von Dienstleistungen und Berufsbildern.

Ich stehe für eine positive Weiterentwicklung der Europäischen Union und ein subsidiäres Europa. Daher bin ich für den Weg einer direkt-demokratischen Befragung der Bürger, denn sie tragen schlussendlich auch die Konsequenzen dieser Abkommen. Das Recht auf Mitbestimmung darf nicht verwehrt werden. Österreich kann hier mit gutem Beispiel für alle anderen EU-Länder vorangehen.