AS Wohnbau und Leistbarkeit | 1. Round Table

Die zt: Kammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland gründete 2023 den Ausschuss „Wohnbau und Leistbarkeit“.
Die Arbeitsergebnisse wurden am 5. Oktober 23 im Rahmen einer Pressekonferenz mit drei Forderungen der Öffentlichkeit präsentiert. Das Medienecho hat die Wichtigkeit der Thematiken bestätigt.
Zur Forderung 1 „Faire, transparente Baupreisgestaltung" veranstaltet der Ausschuss im Februar 2024 den ersten Round Table. Das für Bauschaffende so wichtige Thema soll gemeinsam mit Stakeholdern aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert und Lösungsstrategien entwickelt werden.

Forderung 1

Geförderter Wohnbau: verschoben oder abgesagt
Auftraggeber:innen stoppen Projekte nach der Einreichung, da die Ausschreibungen aufgrund der hohen Baupreise die Kostenobergrenzen verfehlen. Die Baubewilligungen der gemeinnützigen Bauträger gingen heuer um ein Viertel zurück1, die Umsetzung der eingereichten Projekte ist ungewiss. Konkret dürften die Fertigstellungen von Wohnungen in Wien von heuer noch 15.900 auf höchstens 7.500 Einheiten im Jahr 2025 einknicken, meint ein Vertreter der Firma EHL.2 Hohe Inflation und kräftige Zinsdynamik hemmen den Wohnungsneubau 3, zusätzlich fehlen Impulse in der Sanierung. Die Misere am Wohnungsmarkt, in der Bauwirtschaft und am Arbeitsmarkt ist absehbar. Es geht um einen erwarteten Einbruch der Bautätigkeit im Wohnbau und um drohende Wohnungslosigkeit.
Baupreise in Österreich: Der Wettbewerb ist in Schieflage
Der österreichische Baupreisindex im Hochbau ist von 2020 bis zum 2. Quartal 2023 um 35,3 % gestiegen, die Preise im Tiefbau im selben Zeitraum hingegen nur um 3,4 %.4 Die Bauwirtschaft hat sich vom Wohnbau offenbar zurückgezogen. Dabei gerät auch die Vergabepraxis der Marktteilnehmer:innen in den Blick. Im Besonderen ist die Verantwortung der öffentlichen Auftrag- und Fördergeber:innen in Erinnerung zu rufen.
Der geförderte Wohnbau wird vorwiegend als Generalunternehmer(GU)-Leistung ausgeschrieben, was eine geringe Anzahl von großen Baufirmen bevorzugt. GU-Aufschläge verteuern die Baukosten in der Regel um ca. 10 bis 15 %. Zusätzlich trägt der enge GU-Anbietermarkt zum Hochpreisniveau im Wohnbau bei.
Vorgeschlagene Maßnahmen:
Anbietermarkt vergrößern

  • Die zt: Kammer fordert die öffentliche Hand auf, anhand von zehn Ausschreibungsverfahren fürgeförderte Wohnbauprojekte Preisvorteile bei Einzelvergaben zu evaluieren.
  • Preisvergleich von GU-Ausschreibungen und Einzelgewerkausschreibungen: Gewerkeweise Ausschreibungen ermöglichen auch KMU die Teilnahme am Bieterverfahren und vergrößern den Anbietermarkt; die Einzelgewerkausschreibung basiert auf einer detaillierten Ausführungsplanung, die im Gegensatz zum GU-Aufschlag von 10 bis 15 % der Baukosten nur ca. 2 bis 3 % der Baukosten beträgt.

Faire Baupreise
In Zusammenarbeit mit Stakeholdern wie Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Kommunen, Gewerkschaftsbund u. a. beleuchtet die zt: Kammer die Ursachen der gestiegenen Baupreise. Konkret werden folgende Themen behandelt:

  • Informationsaustausch zwischen allen Stakeholdern und Ausgleich der unterschiedlichen Interessen
  • Erarbeitung von Strategien zur Lösung der derzeitigen Krise im Wohnbau
  • Evaluierung von Lieferkettenproblemen, Facharbeitermangel, Baupreisbildung / Wagnis- und Gewinnzuschlag bei Marktverwerfungen und ihrer Bedeutung für den Wohnungsmarkt und den sozialen Wohnbau.
  • Prüfung der Einrichtung eines unabhängigen Baupreisprüfungs-Gremiums.5

1 „Einbruch ab 2024: Von den Wiener Gemeinnützigen wurden zwar im Vorjahr laut der vor wenigen Wochen präsentierten Bilanz ihres Bundesverbands (GBV) rund 4.500 Wohneinheiten fertiggestellt, das waren etwas mehr als 2021. Und für heuer wird noch eine ähnlich hohe Bauleistung erwartet. Doch dass es danach zu einem Einbruch kommen wird, ist einerseits schon an den Zahlen über die Baubewilligungen ablesbar, die zuletzt Anfang des Jahres bundesweit um rund ein Viertel zurückgingen. Zum anderen bedeutet auch eine erteilte Baubewilligung aktuell nicht, dass kurz danach wirklich gebaut werden kann. Denn hohe Baukosten und hohe Finanzierungskosten sorgen dafür, dass derzeit kaum ein neues Projekt gestartet wird“ (Martin Putschögl: Bei Sozialwohnungen droht ein Engpass, Der Standard, 12. Juni 2023, https://www.derstandard.at/story/3000000173945/bei-sozialwohnungen-droht-ein-engpass).

2 Die Presse: Anzahl der Fertigstellungen knickt bis 2025 stark ein, 17. Mai 2023, https://www.diepresse.com/6288997/anzahl-der fertigstellungen-knickt-bis-2025-stark-ein.

3 Siehe Michael Klien, Michael Weingärtler: Europäisches Bauwesen steht vor Stagnation, WIFO-Monatsberichte, Heft 2/2023, S. 105.

4 Siehe Statistik Austria: Baupreisindex, www.statistik.at/statistiken/industrie-bau-handelund-dienstleistungen/konjunktur/baupreisindex, abgerufen am 6. September 2023.

5 Vgl. dazu auch Joseph Gepp: Zeigt her eure Preise! Braucht Österreich eine Preisdatenbank?, Der Standard, 20. April 2023, www.derstandard.at/story/2000145601777/zeigt-her-eurepreise-braucht-oesterreich-eine-preisdatenbank.