Stellungnahme zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Heumarkt/Intercont

Ein komplexes Thema im Überblick: die Gefahr der Privatisierung der Stadtplanung und die ZT-Pressekonferenz "Flächen(um)widmung auf Wunsch" führten 2017 und 2018 zu großer Präsenz der Kammer als Standesvertretung der Planenden in den Medien und zu den "Stadt finden"-Fachdebatten. Ergänzend zur Stellungnahme zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Nr. 7984 von 2017 finden Sie im Medienanhang alle Schreiben der Kammer der ZiviltechnikerInnen zu diesem Thema in chronologischer Reihenfolge.

Ziviltechniker(innen) sind in höchstem Maße an funktionierenden, rechtsstaatlichen Abläufen sowie an transparenten und fairen Vergabeverfahren interessiert. Einerseits, weil sie mit Planungen, von ihnen erstellten Gutachten und Urkunden selbst zu diesen beitragen, andererseits weil die Kammer als Berufsvertreterin von Architekt(inn)en und Ingenieurkonsulent(inn)en von der Notwendigkeit und Qualität der Leistungen ihrer Mitglieder überzeugt ist. Es ist wichtig, Auswahlverfahren von Beginn an transparent und für potentiell Teilnehmende offen zu gestalten. In diesem Sinne begrüßt es die Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gerade auch bei städtebaulich relevanten Projekten, frühzeitig eingebunden zu werden und in Kooperation qualitätsorientierte Verfahren zu gestalten, die auf bestmögliche Ergebnisse, hohe Akzeptanz und Rechtssicherheit fokussiert sind.

Unser gemeinsames Interesse gilt einer lebenswerten, für alle Bevölkerungsgruppen offen stehenden Stadt und der Erhaltung und Entwicklung der außerordentlichen Qualitäten, die Wien zu bieten hat. Die Gefahr der Privatisierung der Stadtplanung und die ZT-Pressekonferenz "Flächen(um)widmung auf Wunsch" führte 2017 und 2018 zu großer Präsenz der Kammer als Standesvertretung der Planenden in den Medien. Unsere "Stadt finden"-Fachdebatten wurden zum Publikumsmagneten. Die Message, dass sich eine selbstbewusste Stadt nicht zuletzt über die räumliche Idealisierung eines Gemeinwesens definiert- den Sinn für Architektur als gesellschaftliche Kraft vorausgesetzt, verbreitete sich mit Nachdruck. Die rege interdisziplinäre Beteiligung an den Diskussionen unterstrich das Interesse der Wienerinnen und Wiener an ihrer Stadt eindrucksvoll. Bei den Fachdebatten wurden die verschiedenen Aspekte der aktuellen Auseinandersetzung über Stadtplanung und Städtebau zur Diskussion gestellt und die Position der Architekt(inn)en und Ingenieur(inn)e(n) dargelegt. Wir sind stolz auf den Werkbericht 2017-2018 (kostenfrei hier abrufen) und das unglaublich große Interesse aller BewohnerInnen an der Stadt und an den Leistungen von ZiviltechnikerInnen.

Zur Historie:
Im Folgenden sind die Kritikpunkte um das Verfahren zum Areal des Hotel InterContinental und des Eislaufvereins, Plan Nr. 7984, aufgelistet und erklärt:

1. (UM) WIDMUNG

  • Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan stellt eine Verordnung dar. Eine Verordnung der Stadt Wien, die einem internationalen Abkommen der Republik widerspricht, ist schwer vorstellbar. Es ist daher vermutlich damit zu rechnen, dass eine Verordnung, die diese Rangordnung konterkariert, rechtlich nicht standhalten würde (siehe auch Urteil zur Flugpiste Schwechat).
  • Ohne die Klärung der Frage, ob die Umwidmung zur Aberkennung des Status der Wiener Innenstadt als Weltkulturerbe führen würde, fehlt den Abgeordneten eine wesentliche Entscheidungsgrundlage. Es scheint schwer vorstellbar, eine derart folgenschwere Entscheidung ohne Klärung dieser Vorfrage zu treffen. Dies ist umso unverständlicher, als die entsprechende Grundlage sehr zeitnah (Juli 2017) vorliegen wird.
  • Dass das öffentliche Interesse an Einhaltung internationaler Verträge der Republik weniger wiegt als die Interessen an einer bestimmten Grundstücksnutzung, scheint schwer darstellbar.
  • Im Sinne des Legalitätsprinzips kann eine Verordnung (Umwidmung) niemals auf Antrag (eines Grundstückseigentümers), sondern muss im Interesse der Allgemeinheit erfolgen. Da vor Antrag des Eigentümers keinerlei Absichten der Stadt zur Errichtung eines zusätzlichen Hochhauses an diesem Ort bekannt, sondern dies im Gegenteil nach Richtlinien der Stadt ausgeschlossen war, ist die Rechtmäßigkeit in Frage gestellt.
  • Maßnahmen der Vertragsraumordnung ("Städtebauliche Verträge") dienen der Umsetzung von Zielen der hoheitlichen Raumordnung, aber keinesfalls zu deren Ersatz. Die Kompensation von Mängeln eines Projekts durch anderwärtige Leistungen ist unzulässig.
  • Die Gewährung einer Umwidmung darf nicht von privatrechtlichen Vereinbarungen (Erhaltung Eislaufplatz etc.) abhängig gemacht werden, dies widerspräche §1a Absatz 3 der BO für Wien. Privatrechtliche Vereinbarung sind sinnvoll zur Finanzierung von Infrastrukturkosten, die durch die Widmung ausgelöst werden, können aber niemals die Begründung für die Widmung sein.

2. PLANUNGSVERFAHREN / WETTBEWERB

  • Bei einem "Kooperativen Verfahren" (KV), welches am Anfang des Prozesses zur Umwidmung stand, handelt es sich um keinen Terminus technicus auf dem Gebiet des Städtebaus. Mit diesem Begriff werden unterschiedlichste Formate zusammengefasst, die sinnvollerweise der Ermittlung von Grundlagen dienen können. Aus diesem Grund endete das KV zum Heumarkt nicht mit einem Ergebnis im Sinne einer Planung, sondern - wie gut dokumentiert - mit der Darstellung einer Vielzahl unterschiedlichster Möglichkeiten.
  • Die Präsentation eines Städtebaulichen Leitbildes erfolgte durch die MA21, der dies als zuständige Magistratsabteilung mit entsprechender fachlicher Qualifikation zweifellos zusteht. Eine Berufung auf ein "Ergebnis" des KV ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt, die Auswahl erfolgte ausschließlich im Ermessen der Behörde.
  • Die Kammer der ZiviltechnikerInnen hat den Objektwettbewerb unter der Bedingung kooperiert, dass vor Befassung der Teilnehmer(innen) die Frage nach der Übereinstimmung mit dem UNESCO-Vertrag und damit die zulässige Höhenentwicklung geklärt wird. Dies ist eine politische Frage deren Beantwortung fairerweise nicht den Teilnehmer(inne)n eines Architekturwettbewerbs überbunden werden darf. Da diese Bedingung vorab nicht erfüllt wurde, ist eine Berufung auf die Kooperation mit der Kammer problematisch.
  • Ein nicht offener Architekturwettbewerb, an dem nur Ausgewählte teilnehmen dürfen, ist für die Legitimation eines für die Allgemeinheit derart folgenreichenden Eingriffs in die Stadtstruktur aus Sicht der Berufsvertretung nicht geeignet.
  • Ergebnisse eines Architekturwettbewerbs sind zu respektieren. Das dem zu beschließenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan zugrundeliegende Projekt widerspricht nach den erfolgten Änderungen jedoch diesem Ergebnis in wesentlichen Punkten.
  • Nur 2 von 24 Teilnehmenden am Architekturwettbewerb haben die Beibehaltung des historischen Hotelgebäudes vorgesehen. Höhe, Proportion und Stellung des Hochhauses wurden von der dafür legitimierten Fachjury gelobt als besonders gelungen hervorgehoben und dienten als Begründung der Preisverleihung. Das Projekt wurde also gerade deshalb, wie dir Jury begründet, ausgewählt. In der vorliegenden Fassung soll das Hotel jedoch entfernt und an anderer Stelle und in geänderter Dimension neu errichtet werden. Eine Berufung auf das Wettbewerbsergebnis ist somit irreführend.