Stadt Wien erhielt den Planlos Award 2015.

Nicht vollkommen überraschend wurde der Preis 2015 der Stadt Wien verliehen, und zwar für ihre kontinuierliche Weigerung, sich erneut mit dem Thema der Public-Private-Partnership Verfahren auseinanderzusetzen.

Rede von Präsident Peter Bauer zu PPP anlässlich der Verleihung des Planlos-Awards am 29. September 2015 an die Stadt Wien.

 

Sehr verehrter Herr Bürgermeister,
sehr verehrte sonstige Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Wien,
sehr verehrte - durch die Vorgenannten- vertretenen Damen und Herren,

selten hat ein Kandidat für den "Planlos Award" so viel Aufwand betrieben, wie die Stadt Wien im Falle der Public-Privat-Partnership-Projekte im Bereich der Kultur- und Bildungsbauten.

So umfassen die entsprechenden Vertragsentwürfe, z. B. für ein Schulgebäude, ca. 2500 Seiten. Immerhin 1/10 davon, also ca. 250 Seiten und ein paar Pläne beschreiben dann tatsächlich das Bauwerk. Der Rest regelt den Betrieb, das entsprechende Entgelt dafür und was man sonst noch zum Streiten braucht -die nächsten 25 Jahre. Da es private Verträge sind, sind sie geheim und so der öffentlichen Kontrolle entzogen.

Ursprünglich erfunden wurden PPP-Modelle für Projekte, in denen die Funktion im Vordergrund stand, diese eindeutig und klar durch verhältnismäßig geringe Vorplanungen beschreibbar war, und die Investitionssummen gewaltig waren. Zum Beispiel: Straßen oder Tunnels oder die Kanalisation.

Und diese Vergabeform forciert nun die Stadt Wien für Kultur- und Bildungsbauten. Eine Stadt, die zweifellos eine sehr lebens- und liebenswerte Stadt ist. Nicht zufällig hat sie noch eine starke und fähige Verwaltung. Menschen die sich redlich um diese Stadt bemühen. Oft ringen wir Planer mit dieser Stadt. Sei es als Kammer um Themen der Stadtplanung oder um mehr öffentliche Wettbewerbe. Oder sei es im Beruf als Architekt oder Konsulentin. Aber in den weit überwiegenden Fällen immer in einer Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und auf gleicher Augenhöhe. Beide sind um Lösungen, die der Sache dienen, bemüht.

Aber diese Verwaltung hat sich zu fürchten begonnen. Fürchten tut man immer Gespenster. Unser Gespenst heißt Sachzwang. Eine wunderbare Konstruktion. Ausgedacht von Gespenstergeschichtenprofis.

Und diese, leider wahre, Geschichte geht so:

In Maastricht wurde am 7. Februar 1992 ein EU-weiter Vertrag abgeschlossen. Der sieht vor, dass die Staaten der Währungsunion eine gewisse Grenze des Budgetdefizits pro Jahr nicht überschreiten dürfen. Weil aber so ein einfacher und eindeutiger Beschluss keinen interessiert, musste man ihm ein bisschen ausschmücken. Zum Beispiel mit einem Zusatz: PPP-Projekte zählen nicht zum Defizit. Schließlich - so wird argumentiert - kommen da ja private Gelder und privates Know-How zum Einsatz.

Was ist ein PPP-Projekt überhaupt?

PPP-Projekte erkennt man laut Definition der RL "Manual on Government Deficit and Debt" -ein 431 Seiten Werk einer Abteilung der Europäischen Kommission namens Eurostat - an folgenden drei Kriterien, die beim Investor bleiben müssen:

  • (1) Construction risk, also das Risiko, dass vorgegebene technische Standards nicht erreicht werden oder technische Mängel auftreten
  • (2) Availability risk, also das Risiko, dass im Betrieb Probleme auftauchen, auch hier vorgegebene Standards nicht eingehalten werden können
  • (3) Demand risk, das Risiko, dass das gebaute Objekt überhaupt am Markt nachgefragt wird.

Die Privaten bauen und betreiben in diesem Modell also Dinge, die sie gar nicht brauchen - für die öffentliche Hand. Das sind also eigentlich die Spukschlösser, ohne die eine echte Gespenstergeschichte nicht auskommt.

Man merkt schon an den angeführten Kriterien, dass z.B. Kriterien wie: "Cultural heritage risk" (also kulturelles Erbe) oder "Sustainbility risk" (also Nachhaltigkeit) nicht vorkommen.

Sie bauen also z.B. Straßen oder Tunnels oder Gefängnisse oder Schulen und betreiben sie, mit dem Risiko, dass das was sie gebaut haben aber vielleicht gar nicht gebraucht wird. Damit wäre aber die Geschichte auch schon aus - das Gespenst wäre an dieser Stelle schon erledigt. Kein privater Investor wird solche Risiken eingehen. Inserieren die privaten Investoren, nachdem sie ihre Spukschlösser gebaut haben, in der Zeitung etwa: Krankenhaus abzugeben, Schulklasse für 1 3/4 Jahre zu vermieten, Straßenteilstück jetzt für 5 Jahre zu befahren oder noch 12 Plätze im Häfn frei?

Sicher nicht.

Das wäre ein echter Wettbewerb am Markt und der ist bekanntlich gefährlich. Das könnte ja auch daneben gehen. So etwas Absurdes wie einen echten Wettbewerb machen nur Architekten und Ingenieure.

Anonym, vor einer unabhängigen Jury. Und nur ein Team gewinnt - und dieses Team bekommt dann bei PPP-Modellen derzeitiger Fassung gerade noch 53% der Gesamtplanungsleistung beauftragt. Nun ja - die verstehen den Markt wahrscheinlich noch nicht.

Zurück zu PPP

Man erfindet also eine erste Zusatzregel (Punkt 6.4.1 (6) der o. A. RL); damit PPP mehr Spaß macht. In unserem Fall: Eines der Risiken (2) (Betriebsrisiko) oder (3) (Nachfragerisiko) kann auch wegfallen!

Was nimmt man also aus dem Spiel? Richtig! Risiko (3) - das Nachfragerisiko. Und man macht sich mit der sonst so schief angesehenen öffentlichen Hand ein Mietmodell aus. Im Vorhinein - selbstverständlich. Solche Mieter sind super. Vor allem Mieter, die die Bonität der öffentlichen Hand haben und Verträge über 25 bis 30 Jahre verlässlich abschließen können. Sie hören richtig. Kreditraten, die man als öffentliche Hand zurückzahlt, um Schulen oder Krankenhäuser zu bauen, würden in die Grenze der Maastricht-Kriterien eingerechnet werden. Mieten die man an Private zahlt -die in der Regel 20%...30% teurer sind und zu denen man sich langfristig verpflichtet, aber nicht!

Das alles haben sich eben echte Profis ausgedacht. Und weil echte Profis -und ein paar davon gibt's mittlerweile auch in Wien- an alles denken, haben sie sich gedacht, auch die Punkte (2) (Betriebsrisiko) und (1) (Errichtungsrisiko) sind ja unangenehm. Wie oft erreicht man schließlich vorgegebene Standards nicht? Jedenfalls nicht im ersten Anlauf? Das ist jedenfalls riskant. Was kann man da tun? Genau! Man definiert sie nicht bzw. nicht vollständig. Mit dem Argument: Der private Investor braucht einen Handlungsspielraum, sonst hat er gar kein Risiko.

Sie haben richtig gehört. Aber wahrscheinlich den Sinn nicht erfassen können. Ich auch nicht. So etwas nennt man auf gut wienerisch: Chuzpe!

Da kommen jetzt wieder die Planerinnen und unsere Kammer ins Spiel.

Wir haben ein Jahr lang versucht, wenigstens zu erreichen, wenn man schon den geplanten Kontrollverlust teuer einkauft - also eine PPP-Konstruktion - z. B. für öffentliche Schulbauten, wenigstens die architektonischen und technischen Standards exakt vorzugeben. Also die vollständige Ausführungs- und Detailplanung als Vergabegrundlage des Bauwerks zu definieren.

Wir sind daran, bei allem gegenseitigen Respekt, gescheitert.

An den Gespenstern des Sachzwangs. Weil Sinn macht das alles keinen. Wir haben auch in der Verwaltung fast niemanden getroffen, der von der Vorgangsweise überzeugt war.

Aber: Schließlich wurde ja alles im Vorfeld von Profis erarbeitet und von Profis geprüft. Unsere Argumente für Baukultur und Aufrechterhaltung der öffentlichen Kontrolle über öffentliche Institutionen waren nicht beeindruckend genug. Das sind ja auch keine Sachzwänge und schon gar keine Gespenster! Wir werden aber nicht aufgeben. Geben wir dieser Stadt doch ihren Mut zurück. Fürchten wir uns nicht. Verscheuchen wir das PPP-Sachzwang-Gespenst.

Möge die Nominierung ein bisschen dazu beitragen, den dafür notwendigen Mut zu finden.

Darum möchte ich sie, verehrter Herr Bürgermeister, sie, alle anderen Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Wien und sie, verehrte Damen und Herren, die vertreten werden, bitten.

Dankeschön.

DI Peter Bauer,

Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland

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